Wohnen in der Stadt — Natur in kleinen Dosen

Viele Stadtbewohner sind Haus- und Gartenbesitzer oder haben zumindest einen Kleingarten in Pacht. Der Durchschnittsstädter jedoch lebt mehr oder weniger dauernd in mehrgeschossigen Wohnhäusern entweder im Zentrum oder in einem der neuen Siedlungsgebiete am Stadtrand. In diesem Kapitel geht es um die Ökologie dieses häufigen städtischen Nutzungstyps.

Grüne Lunge Innenhof

Bei den sogenannten Blockrandbauten im Stadtzentrum kommt das am deutlichsten zum Ausdruck, was wir unter „Stadt“ verstehen: enge, baumlose Straßenschluchten, Leuchtreklamen, Geschäfte, Gehsteige, Parkplätze, Verkehrslärm und geschäftiges Treiben. Von der Straße aus vermutet man meist nicht, daß sich nach hinten zu oft geräumige grüne Innenhöfe befinden. Zur Gründerzeit (Ende 19. Jahrhundert), als dieser Typ großflächig entstand, wurden die Höfe als Selbstversorgungs- und Mietergärten genutzt. Durch nachträgliche Einbauten von Gewerbehallen, Garagen und Parkplätzen sind heute diese „grünen Lungen“ vielfach auf ein Minimum reduziert. Damit verbunden ist eine Verschlechterung des lokalen Kleinklimas: die Luftbefeuchtung durch die Blätter der Bäume fällt weg, Staubfilterung und Sauerstoffproduktion ebenso und die asphaltierten oder betonierten Flächen können sich im Sommer stark aufheizen, was bei entsprechenden Wetterlagen zur Bildung sogenannter „Dunst- oder Smogglocken“ über der Stadt führt.

Abb. 1: Schema: So könnte ein Innenhofblock nach der Begrünung aussehen. (Entnommen aus: Bayr. Staatsminist. f. Landesentw. und Umweltfragen, 1983: Grüne Innenhöfe)

Abb. 1: Schema: So könnte ein Innenhofblock nach der Begrünung aussehen. (Entnommen aus: Bayr. Staatsminist. f. Landesentw. und Umweltfragen, 1983: Grüne Innenhöfe)

Gleichzeitig gehen Lebensräume vieler Tier- und Pflanzenarten verloren, die sich an den Menschen gewöhnt und mit ihrn Lebensgemeinschaften gebildet haben: Beispiel dafür sind die Fledermäuse, die in Baumhöhlen oder Dachböden Unterschlupfmöglichkeiten gefunden haben und in der Nacht Jagd auf Insekten machten, Turmfalken und Schleiereulen, die häufig in Dachböden oder Türmen genistet haben. Fledermäuse und Schleiereulen gehören heute zu den vom Aussterben bedrohten Tierarten und auch der Turmfalke nimmt mehr und mehr ab. Andere Tierarten können sich dagegen stark vermehren und werden oft zum Problem: für die Stadttauben sind die Häuserwände ideale „Ersatzfelsen“ und der weltweit verbreitete, anpassungsfähige Haussperling hat hier ebenfalls gedeckten Tisch.

 

Abb. 2: Bepflanzte Innenhöfe sind „grüne Lungen“ für die Stadt. Dieser befindet sich in unmittelbarer Nähe des Linzer Domes. (Foto: G. Laister)

Abb. 2: Bepflanzte Innenhöfe sind „grüne Lungen“ für die Stadt. Dieser befindet sich in unmittelbarer Nähe des Linzer Domes. (Foto: G. Laister)

Abb. 3: Ein „moderner“ Innenhof mit Containerbepflanzung in steriler Umgebung. (Foto: G. Laister)

Abb. 3: Ein „moderner“ Innenhof mit Containerbepflanzung in steriler Umgebung. (Foto: G. Laister)

In Linz gibt es zwar in einigen Stadtteilen noch einige positive Beispiele solcher großer Innenhöfe, die für die Bewohner echte Erholungsinseln darstellen. Der langsame Schwund dieser Grünoasen ist jedoch vielerorts stark spürbar. Die Stadt Linz fördert deshalb die Begrünung von Innenhöfen (s. Seite 61), und ein generell verhängtes Bauverbot in der Innenstadt soll verhindern, daß das Grün weiter aus dem Stadtzentrum verschwindet.

Welche Biotope dieser Zone gelten als besonders schützenswert und sollten unbedingt erhalten bleiben?

  • Alte Baumbestände und Gehölzbestände, oft mit den „Modearten“ der Bebauungszeit: Tulpenbaum, Linden, Kastanien, Platanen u. a.
  • Überrankte Schuppen und verwilderte Gärtchen,
  • alte Mauern mit Mauerfugengesellschaften (s. Seite 47).

Wohnort oder Schlafstadt? — die Reihenhaussiedlung

Eine etwas andere Situation finden wir in den Zeilen- und Reihenhaussiedlungen der City-Randzone oder am Stadtrand vor. Hier sind die Häuser wesentlich lockerer gebaut, der Grünflächenanteil ist deshalb wesentlich höher, zum Teil sind sie sogar sehr gut durchgrünt mit altem Baumbestand. Beispiele dafür sind die sogenannten „Hitlerbauten“ an der Leonfeldner Straße, auf der Gugl, am Spallerhof und Bindermichl. Bei den neuen Wohnanlagen sind jedoch die Freiflächen meist zu sterilen Abstandsflächen verkommen. Artenarmer Zierrasen, Ziersträucher und exotisches Einheitsgrün bilden häufig den Bestand. Häufig glaubt man, die Leute kommen hier nur zum Schlafen her. Für heimische Tier- und Pflanzenarten gibt es meist wenig Lebensmöglich— keiten. Der ökologische Wert ist daher eher gering einzustufen. Das Vorkommen seltener Arten, wie das der Haubenlerche im neuerbauten Stadtteil Oed, ist die Ausnahme von der Regel.

Grund für diese Entwicklung ist, daß bei großflächigen Neuplanungen ökologische Belange kaum berücksichtigt werden. Hecken und Rasenflächen werden zwar angelegt, es gibt Spielplätze und manchmal Liegewiesen, aber trotz der großzügigen Anlage scheint kaum Platz für „Natur“ übrig zu sein. Alles muß geplant, gepflegt und genutzt werden, Wildwuchs wird als „Unkraut“ bekämpft und kann nicht geduldet werden. Aus ökologischer Sicht schneiden Trabantenstädte im Vergleich zu den oft ungeplant entstandenen, kleinräumig zusammengestückelten Gewerbevierteln ziemlich schlecht ab.

Zeigt sich doch, daß hier immer wieder Restflächen übrigbleiben, die zwar „unordentlich“ aussehen, aber oft wertvolle Naturinseln darstellen. Damit soll keineswegs die ungeplante Siedlungsentwicklung befürwortet werden. Es müßte jedoch möglich sein, auch in neuen Siedlungsgebieten Biotopflächen einzuplanen und anzulegen (z. B. Magerwiese, Lesesteinhaufen, Teich, Unkrautfläche, Wildstrauchhecke, Obstwiese etc.).

Eine veränderte Betrachtungsweise gegenüber unserer heimischen Natur macht uns deutlich, daß uns diese mindestens ebensoviel bieten kann, mindestens ebenso attraktiv aussieht wie die mit großem Pflegeaufwand instandzuhaltenden Ziergrünflächen zwischen den Wohnb10cks. Heimische Pflanzen sind oft wesentlich stabiler als die meisten Exoten. Sie tragen wesentlich zur Artenvermehrung bei und bieten ungleich mehr Möglichkeiten zur Naturbeobachtung. Der oft sterile und monotone Wohnbereich wird darüber hinaus unverwechselbar und typisch, was wesentlich zum psychischen Wohlbefinden der Stadtbewohner beiträgt. Das „Naturparadies“ vor dem Wohnblock sollte keine Utopie mehr darstellen. Denn „Natur aus zweiter Hand“ ist eigentlich überall machbar, vorausgesetzt, der Wille dazu besteht.

Abb. 4: Abstandsgrünflächen neuer Wohnhausanlagen — das Beispiel zeigt Auwiesen im Süden von Linz — wirken oft monoton. Hier ließe sich durch Biotopanreicherung viel verbessern. (Foto: G. Bründl)

Abb. 4: Abstandsgrünflächen neuer Wohnhausanlagen — das Beispiel zeigt Auwiesen im Süden von Linz — wirken oft monoton. Hier ließe sich durch Biotopanreicherung viel verbessern. (Foto: G. Bründl)

Wer kann was tun?

Wohnbaugenossenschaften:

  • Bei Neuanlagen Anreicherung mit Biotopen einplanen,
  • bestehende Bäume und Gebüsche weitgehend erhalten,
  • bei Neupflanzungen heimischen Arten den Vorzug geben.

Miethauseigentümer:

  • Innenhöfe begrünen (Informationen erhalten Sie beim Gartenamt oder aus der Broschüre „Innenhofbegrünung“, erhältlich im Alten und Neuen Rathaus).

Wir alle:

  • Mieterinitiativen gründen,
  • Balkone und Fenster begrünen,
  • Biotopinseln im Wohnbereich schonen und nicht als Müllablageplätze verwenden.

Quelle: ÖKO-L 10/1—2 (1988), S. 28–29



Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Dieser Artikel wurde am Juni 27, 2014 in der Kategorie Über Wert & Pflege von Stadtbäumen abgelegt. Sie können die Antworten zu diesem Artikel über den RSS 2.0-Feed abonnieren. Die können diesen Artikel kommentieren, oder einen Trackback von Ihrer eigenen Website hinzufügen.